An die Freude

An die Freude

Heute werde ich es tun.

Sie läuft durch die Supermarktgänge, schiebt den Einkaufswagen vorwärts und summt leise vor sich hin. Heute werde ich es tun. Heute ist er dran. Sie stellt die Pralinen in den Einkaufswagen. Ich muss mich ja später belohnen. Sie geht zur Kasse. Lohnt sich nämlich schon lange nicht mehr. Diese Beziehung. Der Sex ist auch scheiße. Gegen ihn ist mein Dildo viel verlässlicher und der grunzt nicht so. Sie lacht leise. Die Verkäuferin an der Kasse schaut sie irritiert an. Wenn du wüsstest, was ich vorhabe. Wärst du entsetzt oder würdest du lächeln? Vielleicht könntest du mich auch verstehen. Sie lächelt die Verkäuferin an. Ich habe mich schon lange nicht mehr so gefreut. Immer noch etwas irritiert lächelt die Verkäuferin zurück.

Sie verlässt den Supermarkt und geht die paar Meter zu Fuß nach Hause. Habe mich im Internet kundig gemacht. Mit Fingerhut geht es am besten. Den Fingerhut habe ich letzte Woche am Grundstückszaun entdeckt. Die Nachbarin lässt ja alles wuchern und wachsen. Aber diesmal fand ich das gut. Sie kichert wieder in sich hinein.

Heute bekommt er Suppe mit Einlage. Jetzt lacht sie laut auf. Sie schaut sich erschrocken um. Wie gut, dass ihr niemand auf der Straße entgegenkommt. Obwohl es ihr heute egal ist, was andere von ihr denken.

Abends beim Essen sitzen sie und ihr Mann sich am Küchentisch gegenüber. Sie hat beiden schon von der Erbsensuppe aufgetan. Er schlürft und schmatzt wie ein Schwein. Wobei ein Schwein keine Wahl hat, es schlürft und schmatzt von Natur aus. Aber der Mensch hat die Wahl. Während des Schlürfens meckert er über die Suppe. Sie wäre versalzen. „Da schmecken ja Fertigsuppen besser. Du bist zu nichts fähig.“ mault er. Sie hört gar nicht hin. Sie wartet.

Aber die Einlage in seiner Suppe entfaltet ihre Wirkung nicht. Hatte sie die Menge falsch dosiert? Auf einmal fängt er an zu husten. Schleimfetzen fliegen in ihren Suppenteller. Sie sieht auf die Speichelbrocken und denkt: Jetzt reicht es.

Neben ihr auf der Küchenarbeitsplatte steht das Bügeleisen zum Abkühlen. Sie erhebt sich, nimmt das Kabel und schwingt damit das Bügeleisen wie ein Lasso in seine Richtung. Das Bügeleisen schlägt gegen den Kopf ihres verdutzt guckenden Mannes. Er kann nicht mehr reagieren, wird getroffen und fällt kopfüber in die Suppe. Stille.

Sie weiß nicht mehr wie lange sie am Tisch mit dem Kabel in der Hand gestanden hat. Sie geht langsam um den Tisch herum und tritt von hinten an den Stuhl ihres Mannes heran, dessen Kopf noch immer in der Suppe liegt. Ihr Mann hat eine blutende Platzwunde am Kopf. Das Blut ist in den Suppenteller gelaufen und vermischt sich nun mit dem Grün der Erbsensuppe. Atmet er noch? Sie fühlt an seiner Halsschlagader. Kein Puls. Ist er jetzt am Fingerhut gestorben, in der Suppe ertrunken oder habe ich ihn mit dem Bügeleisen erschlagen? Auf jeden Fall ist er tot.

Sie geht zu ihrem Stuhl und setzt sich. War doch leichter als ich dachte. Sie genießt den Anblick und schaltet das Radio ein. Laut ertönt Beethovens ‚Freude schöner Götterfunken‘. Wie passend. Sie lächelt. Wenn sie gewusst hätte, wieviel Freude ihr sein Anblick nun bereitet, hätte sie es vielleicht schon früher getan. Sie genießt noch eine Weile die Musik.

Dann greift sie in ihre Hosentasche und holt einen Zettel heraus und nimmt den Kuli zur Hand, welcher auf dem Küchentisch liegt. Auf dem Zettel steht der Name ihres Mannes, den sie nun zufrieden durchstreicht. Summend sieht sie sich die anderen Namen auf der Liste an. So, wer ist der nächste? Der Nachbar von gegenüber? Der ihr vor zwei Wochen beim rückwärts ausparken von seinem Grundstück eine Schramme ins Auto gefahren hatte, und dann einfach abgehauen ist. Sie hatte es vom Schlafzimmerfenster ausgesehen. Als ihr Mann den Schaden bemerkte, schrie er sie an, ob sie zu doof sei Auto zu fahren. Wäre sie ehrlich gewesen und die wahren Umstände genannt, hätte er ihr eh nicht geglaubt. Sie war immer schuld.

Aber jetzt nicht mehr. Oder wie wäre es mit der Nachbarin von nebenan, die im Sommer immer die faulen Äpfel ihres Apfelbaumes über den Grundstückzaun auf meinen Rasen wirft. Nein. Die nächste ist die Hundebesitzerin von gegenüber. Die lässt ihren Hund immer in meinen Vorgarten kacken und den Haufen dort liegen. Sie steckt den Zettel und den Kuli in ihre Hosentasche. Dann nimmt sie die Frischhaltefolie aus der Schublade. Sie kichert. Die Frau, die nie den Hundekotbeutel benutzt, wird mit der Frischhaltefolie erstickt. So gerüstet verlässt sie das Haus und läuft summend über die Straße zum Nachbarhaus. Sie klingelt.

Barbara Maahs

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